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Abstract
Der weißrussische Milchsektor hat schwer unter den Transformationsprozessen
gelitten. In den 90er Jahren ist die Milchproduktion deutlich zurückgegangen,
sowohl bedingt durch eine Reduzierung des Kuhbestandes als auch durch eine
Senkung der Milchleistung. Trotz des Produktionsrückgangs im Zuge der Transformation
ist der Export von Milchprodukten seit 1992 deutlich angestiegen. 2004
ist Milch sogar zum wichtigsten Exportprodukt im Agrarhandel geworden. Die
beiden Tatsachen, der Produktionsrückgang und das Exportwachstum, widersprechen
einander bei der Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit der weißrussischen
Milchbranche. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, die Wettbewerbsfähigkeit des
weißrussischen Milchsektors ausführlich zu untersuchen und die Anwendbarkeit
von Methoden zur Analyse der Wettbewerbsfähigkeit zu überprüfen. Die theoretischen
Grundlagen für das Konzept zur Analyse der Wettbewerbsfähigkeit sind in
der Außenhandelstheorie zu finden, die sich mit dem Entstehen des internationalen
Warenaustausches und der Spezialisierung beschäftigt.
Die Untersuchung wurde in mehreren Schritten durchgeführt und umfasste die
gesamte Wertschöpfungskette für Milch. Als erster Schritt wurden Tendenzen in
der Gesamt-, Land- und Milchwirtschaft untersucht. Im Weiteren wurden zur
Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit mehrere Analysen unternommen: Rentabilitätsanalysen
der Milchproduktion im nationalen und internationalen Vergleich;
die PAM-Analyse, die auch eine quantitative Bewertung von Politikeinflüssen im
Milchsektor lieferte; eine Analyse des Außenhandels, die eine Bewertung der
Verarbeitungsstufe ermöglichte; sowie eine Analyse des Wettbewerbspotenzials
des weißrussischen Milchsektors mit Hilfe des Porterschen Diamanten.
Im Milchsektor haben sich die Nachfolger von sozialistischen Großbetrieben mit
70 % der Milchmenge als Hauptmilchproduzenten behauptet. Eine vollständige
Umwandlung in Privatbetriebe hat hier nicht stattgefunden, die landwirtschaftlichen
Großbetriebe sind unter einer weitgehenden Staatskontrolle geblieben. Der landwirtschaftliche
Boden blieb im Staatseigentum, Agrarproduzenten werden lediglich
Nutzungsrechte erteilt. Auf der Verarbeitungsstufe führte der Rückgang in der
Milchproduktion weiterhin zur Produktionssenkung bzw. unausgelasteten Kapazitäten
und Verlusten. Die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion und -verarbeitung
in Weißrussland wurde im Wesentlichen durch die Politik der Preisfestlegung für
Rohmilch und Milcherzeugnisse stark beeinflusst. Ablieferungs- bzw. Konsumentenpreise
für wichtige Milcherzeugnisse wurden auf einem niedrigen Niveau
gehalten, was zum Schutz der einkommensschwachen Bevölkerung dienen sollte. Zur Analyse der Wettbewerbsfähigkeit ist eine Kostenvergleichsanalyse vor allem
auf die Produktionsstufe anwendbar, weil hier die relevanten Daten meistens vorliegen
und durch die Homogenität des Produktes, Rohmilch, eine Vergleichbarkeit
von Ergebnissen einzelner Produzenten gewährleistet ist. Eine Analyse der Produktionskosten
für Milch in weißrussischen Großbetrieben hat gezeigt, dass die Kosten
zwischen einzelnen Betrieben erheblichen Schwankungen unterliegen, wobei die
größten Kostenpunkte Futter und Arbeit sind. Während ein Teil der Betriebe Milch
mit großen Verlusten produziert, erwirtschaften andere Betriebe Gewinne aus
der Milchproduktion. Wettbewerbsvorteile erreichten die profitablen Betriebe dank
einer höheren Milchleistung, die auf eine höhere Fütterungs- und Arbeitqualität
zurückzuführen war. Die in 2004 erhöhten Milchpreise machten sich deutlich bei
Milchproduzenten bemerkbar. So sank der Anteil von unprofitablen Betrieben
von 76 % in 2002 auf 21 % in 2004.
Die Analyse nach der IFCN-Methodik erweiterte die Rentabilitätsanalyse, in dem
sie einen internationalen Vergleich weißrussischer Milchproduzenten ermöglichte.
Die Analyse ergab, dass weißrussische Milchproduzenten über deutliche Kostenvorteile
gegenüber den Produzenten aus Westeuropa aber auch den anderen MOEL
verfügen. Die Analyse nach der IFCN-Methodik ermöglichte auch einen tieferen
Einblick in die Kostenstruktur und die Produktivität von eingesetzten Faktoren.
Kostenvorteile Weißrusslands sind insbesondere durch niedrigere Ausgaben für
Betriebsmittel und deutlich niedrigere Preise für Inlandsfaktoren (Arbeit und
Boden) bedingt.
Die PAM erweitert das einfache Rentabilitätskonzept durch die Bewertung der
Wirtschaftlichkeit der Anwendung von heimischen Faktoren und ermöglicht
dadurch eine Aussage, ob deren Einsatz in einem Sektor sinnvoll ist. Die Hauptbestimmung
der PAM ist aber die Analyse von Marktversagen und Politikeinflüssen
auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Die PAM-Analyse bestätigte
die Ergebnisse der Rentabilitätsanalyse und wies auf eine wettbewerbsfähige Milchproduktion
in Weißrussland hin. Die Analyse zeigte auch, dass die Milchproduzenten
in Weißrussland durch die existierende Agrarpolitik benachteiligt werden.
Vor allem wegen der auf niedrigem Niveau festgelegten Milchpreise entgehen
den Betrieben Einkommen aus der Milchproduktion. Vorteilhaft sind dagegen
günstigere Preise für heimische Faktoren.
Während die Kostenvergleichsanalysen und die PAM sich mit den Voraussetzungen
für einen internationalen Erfolg beschäftigen, zeigt eine Analyse des Außenhandels
die auf dem Weltmarkt erreichte Wettbewerbsposition. Die Außenhandelsindikatoren
bestätigten die Wettbewerbsfähigkeit des weißrussischen Milchsektors,
offenbarten aber auch seine Schwachstellen. Wettbewerbsvorteile im Milchaußenhandel
existieren nur bei standardisierten Produkten, bei hochwertigen Milchprodukten
wurden dagegen deutliche Wettbewerbsnachteile nachgewiesen. Da frühere
Analysen Vorteile für die Produktionsebene nachgewiesen haben, deuten die
Schwächen im Außenhandel auf Nachteile bei der Verarbeitungsindustrie hin, die
die auf der Produktionsebene bestehenden Wettbewerbsvorteile überkompensieren. Der intraindustrielle Handel ist im weißrussischen Außenhandel mit Milcherzeugnissen
relativ wenig verbreitet (IIT-Index=0,12). Die Analyse des IIT für
einzelne Produkte deutete auf eine vertikale Produktdifferenzierung des Handels
hin. Dabei werden billigere Produktvarianten exportiert und teurere importiert,
was eine niedrigere Qualität weißrussischer Erzeugnisse bedeutet und wieder
auf die Nachteile der Verarbeitungsindustrie hinweist.
Zur Bewertung des Wettbewerbspotenzials wurde der Portersche Diamant
verwendet. Dabei wurden Faktorausstattung, Nachfragebedingungen, verwandte
und unterstützende Branchen, Unternehmensstrategie, Struktur und Wettbewerb
sowie Wirkung des Staates einer vertieften Analyse unterzogen. Die Analyse mit
dem Porterschen Diamanten hat gezeigt, dass die Vorteile des weißrussischen
Milchsektors vor allem bei der Faktorausstattung und verwandten und unterstützenden
Branchen liegen. Als nachteilig haben sich dagegen die Nachfragebedingungen
herausgestellt. Die größten Nachteile für die weißrussische Milchwirtschaft
liegen in der Determinante Unternehmensstrategie und bei der Wirkung des Staates.
Die Wirkung des Staates ist durch restriktive Eingriffe auf allen Stufen der Wertschöpfungskette
gekennzeichnet und gefährdet dadurch die Wettbewerbsfähigkeit
des weißrussischen Milchsektors.