@article{Weber:195703,
      recid = {195703},
      author = {Weber, Sascha A. and Hansen, Heiko},
      title = {Kann eine Marktbeobachtungsstelle den EU-Milchmarkt  effizient regulieren?},
      address = {2014-12},
      number = {1422-2016-117666},
      series = {Thünen Working Paper},
      pages = {21},
      year = {2014},
      abstract = {Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund des Auslaufens der  EU-Milchquote im April 2015 haben der Bundesverband  Deutscher Milchviehhalter e. V. (BDM) bzw. das European  Milk Boards (EMB) einen Vorschlag zur zukünftigen  Milchmarktsteuerung vorgelegt. Zentrales Element dieses  Vorschlags ist eine Markt-beobachtungsstelle, die den  Milchmarkt einerseits permanent beobachtet und  Entwicklungen analysiert. Andererseits soll im Krisenfall  zusätzlich ein sogenanntes Marktverantwortungspro-gramm in  Kraft treten.
Marktanpassungen sollen sowohl in ihrer  Anzahl als auch in ihrer Höhe flexibel in Abhängigkeit zur  Marktlage vorgenommen werden. Auf Basis ermittelter Kosten  der Milcherzeugung wird ein Zielpreiskorridor definiert, in  welchem sich der durchschnittliche europäische  Milcherzeugerpreis bewegen soll. Dieses System setzt  voraus, dass eine Basismenge und sogenannte Lieferrechte  eingeführt werden. Die Lieferrechte sollen je nach  Marktlage in Höhe von 3 bis 5 % der beste-henden (Basis-)  Lieferrechte erteilt oder entzogen werden. Als zusätzliche  Interventionsmaßnah-men soll eine freiwillige  Mengenstilllegung gegen Vergütung im Ausschreibungs- oder  Bieterver-fahren sowie eine strategische Lagerhaltung  implementiert werden. Die Kosten für die Instru-mente  sollen aus einem Marktregulierungsfond12 gedeckt werden.  Ferner müsse als Vorausset-zung für das Funktionieren  dieses Systems der derzeit gültige Außenschutz der EU auf  Basis der Uruguay-Runde13 beibehalten werden (Fink-Keßler A  2013).
Der Vorschlag des BDM bzw. des EMB, eine  Marktbeobachtungsstelle auf europäischer Ebene  einzurichten, die auch eine Marktsteuerung vornimmt, ist  aus folgenden Gründen abzulehnen:
• Der Vorschlag stellt  aus theoretischer Sicht nicht nur eine Fortführung des  bestehenden EU-Quotenregimes dar, sondern auch eine  deutliche Komplizierung. Neu eingeführt wür-den eine  gewisse Flexibilisierung des Rohmilchangebots  (Lieferrechte), eine freiwillige Mengenstilllegung und ein  Zielpreiskorridor auf Basis der Milcherzeugungskosten.  Dabei ist die Berechnungsmethode der Erzeugungskosten  (MilchMarkerIndex) nicht unumstrit-ten (Dorfner G 2013, S.  98 f., Martinsohn M, Lassen B 2013).
• Grundsätzlich gelten  dieselben ordnungspolitischen Bedenken wie beim bestehenden  Quotensystem (vgl. Koester U 1992, S. 293 ff., Wöhlken E  1991, S. 160):
o Die individuelle Entscheidungsfreiheit von  Erzeugern wird beschränkt.
o Der Marktzugang neuer Erzeuger  wird erschwert.
o Rückwirkungen auf andere Agrargütermärkte  sind wahrscheinlich.
o Die Gesamtwohlfahrtseffekte sind  negativ (v. a. Verbraucher).
12 Erzeuger sollen im  Umlageverfahren (pro Kilogramm Milch) einzahlen und es  könne eine Kofinanzierung durch die EU erfolgen  (Fink-Keßler A 2013).Der Strukturwandel wird gehemmt und  eine effiziente Ressourcenallokation kann nicht  stattfinden.
o Der Sektor ist nicht effizient.
o Abkopplung  des inländischen Sektors vom Weltmarkt.
o Aufwendige  Administration mit zusätzlichen Kosten.
• Die gewünschte  preisstabilisierende Wirkung des Vorschlags kann in Frage  gestellt wer-den. Tatsächlich müssten wesentlich mehr als  die vorgeschlagenen 1-2 % der EU-Rohmilchmenge von Markt  genommen werden, damit eine „Preisstabilisierung“ eintritt.  Dies liegt sowohl an der Elastizität des Rohmilchangebots  als auch an der Elastizität der Verbrauchernachfrage sowie  der Elastizität des Importangebots.
• Eine Umsetzung des  Vorschlags der Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidungen  einer Marktbeobachtungsstelle kann juristisch unbedenklich  nur umgesetzt werden, wenn die-se im staatlichen Auftrag  operiert. Eine privatwirtschaftliche Lösung würde z. B. in  Deutschland am Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht scheitern.
•  Die EU-28 ist im Hinblick auf die Struktur der  Erzeugerbetriebe, der Milchverarbeiter und der Absatzmärkte  sehr heterogen. Daher haben die genannten „Milchkrisen“ je  nach Re-gion auch unterschiedliche Effekte auf die  Marktakteure. Eine allgemeinverbindliche Marktsteuerung  würde dieser Heterogenität nicht gerecht werden und viele  Milcherzeu-ger sowie Verarbeiter unnötig benachteiligen  bzw. deren (internationale) Wettbewerbs-fähigkeit  reduzieren.
• Eine effiziente Marktsteuerung kann nur  vorgenommenwenn zeitnah verlässliche Marktinformationen  vorliegen. Dies ist für den EU-Milchmarkt und den Weltmarkt  nicht der Fall. Die Preis- und Mengeninformationen sind  systembedingt mindestens zwei Mona-te alt. Bevor eine  Marktkrise erkannt wird und die entsprechenden Maßnahmen  ergriffen werden können, kommt die Hilfe für die  Marktbeteiligten bereits zu spät. Die internatio-nalen  Marktinformationen unterliegen nicht alle einer amtlichen  Notierung. Daher ist de-ren Qualität kritisch zu  hinterfragen. Eine Verwendung solcher Information birgt die  Ge-fahr von Fehleinschätzungen über tatsächliche  Marktentwicklungen.},
      url = {http://ageconsearch.umn.edu/record/195703},
      doi = {https://doi.org/10.22004/ag.econ.195703},
}