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Abstract

Seit den 1990er-Jahren befindet sich die Ukraine in andauernden Umgestaltungen des politischen und ökonomischen Systems. Durch die institutionellen, strukturellen und wirtschaftlichen Reformen und Integrationsbemühungen veränderte sich unter anderem die Produktions- und Handelsstruktur von Agrar- und Ernährungsgütern des Landes. Die WTO-Mitgliedschaft, die Wiederbelebung der Handelsbeziehungen mit den GUS-Ländern sowie die Bemühungen um einen Freihandelsstatus mit der EU sind für die Ukraine mit weiteren Änderungen der außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbunden. Durch die weitere Handelsliberalisierung steht der Agrar- und Ernährungssektor der Ukraine, der mit einem Anteil von fast 13 % am BIP in den letzten Jahren einer der wichtigsten Sektoren der ukrainischen Wirtschaft ist, auch in Zukunft vor großen Herausforderungen. In dieser Hinsicht bestand das Ziel der vorliegenden Arbeit darin, eine Aussage über die Position des ukrainischen Agrar- und Ernährungssektors in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen mit Hilfe einer Analyse von sektorspezifischen Außenhandelsdaten zu erhalten. Darüber hinaus sollte unter anderem beantwortet werden: wie sich die Ukraine in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen integriert; inwieweit die Ukraine in den letzten Jahren in der Lage war, positive Wohlfahrtseffekte und Wachstumsimpulse für die Land- und Ernährungswirtschaft durch Außenhandel zu realisieren; und wie sie sich globalen Herausforderungen stellt. Da der intra-industrielle Austausch zwischen den Ländern eine immer bedeutendere Rolle im Weltagrarhandel einnimmt und um ein komplettes Bild über den ukrainischen Agrar- und Nahrungsmittelhandel zu erhalten, wurden in der Arbeit sowohl traditionelle bzw. inter-industrielle als auch intra-industrielle Handelsströme untersucht. Der Untersuchungszeitraum umfasst die Periode von 1996 bis 2005. Den theoretischen Hintergrund bildeten Ansätze aus den traditionellen und den neuen Außenhandelstheorien. Es wurden fünf Hypothesen bezüglich der Art und Ausrichtung des ukrainischen Außenhandels mit Produkten der Agrar- und Ernährungswirtschaft ausgearbeitet. Die Untersuchung wurde in mehreren Etappen durchgeführt. Da der Außenhandel nicht losgelöst von natürlichen und wirtschaftlichen Standortfaktoren gesehen werden kann, wurde zuerst die Wirkung verschiedener Determinanten auf die Wettbewerbsfähigkeit bzw. Handelsposition des ukrainischen Agrar- und Ernährungssektors untersucht. Diese Analyse basierte auf dem Porterschen Diamanten. Dabei wurden die Ausstattung mit Produktionsfaktoren, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen sowie deren Veränderungen im Laufe der Analyseperiode untersucht. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die Ukraine aufgrund ihrer geografisch günstigen Lage und eines gut ausgebauten Verkehrs- und Kommunikationsnetzes über gute Grundvoraussetzungen für die Teilnahme am internationalen Handel verfügt. Ein Nachteil entsteht aber durch hohe Transportund Vermarktungskosten. Die Ukraine ist reichlich mit fruchtbarem Boden ausgestattet, aber es besteht ein Mangel an günstigem Kapital. Eine negative Wirkung auf die sektorale Entwicklung ergibt sich vonseiten der verwandten und unterstützenden Branchen. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Nachteile häufig eine direkte Folge des mangelnden Reformfortschrittes sind. Die Ausführungen zur Agrar- und Handelspolitik bestätigten dies. Die ukrainische Agrar- und Handelspolitik zwischen 1996 und 2005 ist als instabil und inkonsistent zu charakterisieren. Aus produktspezifischen Subventionen, Export- und Importbeschränkungen sowie nicht tarifären Handelsregelungen resultierten Verzerrungen der Außenhandelsstruktur. Bei der Analyse der ukrainischen Handelsstruktur von Produkten der Agrar- und Ernährungswirtschaft wurde festgestellt, dass die Ukraine hauptsächlich Rohprodukte exportiert. Die Importe sind differenzierter, wobei verarbeitete Produkte dominieren. Am bedeutendsten für den ukrainischen Außenhandel sind die Mitgliedsländer der GUS, der EU-15 und die RdW-Länder. Als Nächstes erfolgte die empirische Überprüfung der ausgearbeiteten Hypothesen anhand der Handelsindikatoren. Die Analyse der inter-industriellen Handelsströme zeigte, dass die Ukraine über überdurchschnittliche komparative Vorteile bei bodenintensiven Produkten wie Getreide, Sonnenblumensamen und Milch verfügt. Damit spiegeln sich die gute Bodenqualität sowie die hohe Bodenausstattung in den komparativen Handelsvorteilen bei der Produktion der genannten Güter wieder. Somit exportiert das Land Güter, bei deren Produktion der reichlich vorhandene Faktor intensiv verwendet wird (Hypothese 1). Die Entwicklung der RTA-Index-Werte deutet darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen der staatlichen Politik und der Stabilität der Handelsposition der Ukraine auf dem internationalen Agrar- und Ernährungsmarkt besteht. Die Analyse der Außenhandelsströme aus der Sicht der neuen Außenhandelstheorie erfasste die Identifizierung des intra-industriellen Handels (IIH), seine Art (horizontaler oder vertikaler IIH) und seine qualitative Ausrichtung (IIH hoher oder niedriger Qualität). Bei der Analyse des IIHs nach Produktgruppen wurde eine Beziehung zwischen dem Verarbeitungsniveau und der Intensität des IIHs festgestellt: mit zunehmendem Verarbeitungsgrad der gehandelten Produkte stieg der Anteil des IIHs (Hypothese 2). Dieser Zusammenhang wurde sowohl für den ukrainischen Gesamthandel mit Produkten der Agrar- und Ernährungswirtschaft als auch für den Handel mit einzelnen Ländergruppen festgestellt. Außerdem war zu beobachten, dass die Intensität des IIHs bei den verarbeiteten Produkten im Laufe der Analyseperiode tendenziell stieg. Diese Ergebnisse entsprechen der Entwicklung des internationalen Handels mit Agrar- und Ernährungsgütern in den letzten Jahrzehnten. Der IIH der Ukraine wird von den Unterschieden der länder- und sektorspezifischen Charakteristika bestimmt. Es wurde festgestellt, dass mit steigenden Unterschieden zwischen zwei Handel treibenden Ländern die Intensität des IIHs insgesamt und vor allem der horizontale IIH sinkt (Hypothesen 3 und 4). Die höchsten Intensitäten des IIHs bzw. des horizontalen IIHs wies die Ukraine im Handel mit den GUS- und MOE-Ländern auf, allerdings zeigten die ermittelten Werte unterschiedliche Tendenzen. Als Determinanten des hohen IIHs der Ukraine mit den GUS-Ländern im Vergleich zu den anderen Ländergruppen können das ähnliche Entwicklungs- und Technologieniveau (ist vor allem für den horizontalen IIH relevant), die geografische Nähe, die engeren historischen und kulturellen Beziehungen sowie die stärkeren wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen diesen Ländern genannt werden. Die Analyse der qualitativen Ausrichtung des IIHs zeigte, dass bei den Handelsbeziehungen der Ukraine mit allen Ländergruppen vertikaler inter-industrieller Handel niedrigerer Qualität überwiegt. Die niedrigere Qualität der ukrainischen Exporte im Vergleich zu den Importen im Rahmen des IIHs ist mit der vergleichsweise geringeren Ausstattung der Ukraine mit Kapital und darüber hinaus dem geringeren Stand der Technologie gegenüber den Handelspartnern zu erklären. Als kapitalarmes Land zeigt die Ukraine die niedrigste Intensität beim IIH höherer Qualität mit kapitalreichen Industrieländern auf. Damit verliert die Ukraine in Hinblick auf Qualität den Wettbewerb (Hypothese 5). Die Analyse der inter- und intra-industriellen Handelsströme der Ukraine zeigte, dass sich die Ukraine langsam in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen integriert. Die Position der Ukraine ist allerdings nicht stabil. Die komparativen Vorteile, über die die Ukraine verfügt, werden nicht vollständig ausgenutzt. Der intra-industrielle Austausch ist gering und seine Reduktion im Handel mit den EU-Ländern deutet darauf hin, dass eine Reihe von Hemmnissen für das Fortführen der Integration in die europäische als auch in die Weltwirtschaft bestehen. Diese Hemmnisse gehen vor allem auf institutionelle und strukturelle Defizite im Land zurück. Eine weiterhin erfolgreiche Integration erfordert, dass die Ukraine diese strukturellen Hemmnisse beseitigt und in diesem Zusammenhang die durch die Politik bedingten Friktionen abbaut. Nur so können die Nachteile für den Agrar- und Ernährungssektor reduziert und gleichzeitig Standortvorteile effektiv genutzt werden. Durch die bessere Ausnutzung der komparativen Vorteile ist zudem eine Stabilisierung der Handelsposition auf dem Weltmarkt zu erwarten. Nur unter diesen Bedingungen kann die Ukraine die durch steigende Nachfrage nach Agrar- und Ernährungsgütern auf dem Weltmarkt erwachsenden Chancen nutzen und darüber hinaus bestmöglich von den Vorteilen der internationalen Arbeitsteilung profitieren.

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